Der kleine grüne Glitterball


Ich habe einen Dreierpack Glitterbälle für meine Katzen gekauft. Es gibt einen goldenen, einen lilanen und einen grünen. Bis auf die Farbe sind sie alle gleich, für mich. Aber ab der ersten Sekunde wird der grüne heiß und innig geliebt und bespielt, die beiden anderen absolut schnöde ignoriert. Kann das einer verstehen? Ich habe sogar an allen dreien gerochen, für meine Nase war kein Unterschied erkennbar.


Nun gut, spielen wir eben nur mit dem grünen Ball. Spielen heißt in diesem Fall: Ich werfe den Ball, die Katzen rasen hinterher, stupsen ihn ein paar Mal an und gucken wieder auffordernd zu mir. Ich tapere also hinterher, schnapp mir den Ball und werfe ihn diesmal in die andere Richtung. Dieses Ritual kann sich gute fünfzehn Minuten hinziehen.


Da die naturgegebene Form eines Balles rund ist, rollt er auch, das ist ja schließlich der Sinn von runden dreidimensionalen Formen. Und manchmal rollen Dinge an schwerer erreichbare Stellen wie unters Sofa, unter die Kommode oder hinter die ganzen Blumentöpfe. Das bedeutet, dass ich mich hinknien oder gar hinlegen muss, um den Katzen das Weiterspielen mit ihrem grünen Lieblingsball zu ermöglichen. Meine Knie und der Rücken lassen grüßen, aber was macht man nicht alles für die Katz!


Erstaunlich jedoch finde ich, dass bisweilen der Ball gar nicht dort ist, wo er eigent­lich sein müsste. Nämlich dort, wo man ihn hat hinrollen sehen. Also, bücke ich mich: kein Ball da, kein grüner Glitter weit und breit zu sehen. Ich stehe wieder auf und hole die Taschenlampe und einen langen, dünnen Stab, um anschließend auf dem Boden lie­gend den selbigen unter dem Sofa abzusuchen und finde alles Mögliche, nur nicht den verdammten grünen Glitterball.


"Hey, das kann doch gar nicht sein!", denke ich mir und rekapituliere noch einmal den kompletten Wurf- und Rollvorgang. Ich analy­siere ganz logisch, wohin der Ball, von der Stelle des Auftreffens auf dem Boden aus, überall hin gelangt sein könnte. Dann suche ich systematisch alle infrage kommenden Plätze ab. Womit wir wieder bei meinem altersgemäßen Zustand meiner Knie wären. Mit zunehmendem Alter knacksen sie einfach immer mehr. Dabei werden meine Aktionen äußerst inte­ressiert - oder belustigt? - von meinen Miezen begutachtet. Meist wollen sie sogar mit suchen helfen - hoffe ich zumindest -  und auch überall darunter kriechen. Am besten vor direkt vor meiner Nase, was natürlich für meine visuelle Wahrnehmung sehr effektiv ist.


Wenn ich Glück habe, finde ich ihn an einer eigentlich nahezu physikalisch unmöglichen Stelle. Uneigentlich ist er aber genau da gelandet, wie auch immer. Habe ich jedoch Pech, ist der kleine grüne Glitterball unauffindbar. In diesem Fall entdecke ich ihn ein paar Tagen oder gar Wochen später irgendwo ganz anders in der Wohnung wieder. Einmal habe ich sogar, ganz still und leise für mich, meine Nachbarin verdächtigt, den kleinen grünen Glitterball gestohlen zu haben, da er wirklich nirgendwo in der ganzen Wohnung zu finden war.


Das alles passiert natürlich nicht nur mit diesem einen Spielzeug. Nein, das geht mit allen erdenklichen kleinen Spielsachen so, die meine Katzen ihr Eigen nennen. Sie sind einfach spurlos verschwunden, egal wie gründlich ich suche. Deswegen habe ich folgende Theorie entwickelt: Gibt es in meiner Wohnung schwarze Löcher oder Wurmlochverbindungen mit Paralleluniversen? Kann es sein, dass irgendwie – wie weiß ich allerdings auch nicht – einzelne Spielzeuge der Katzen zeitweilig oder für immer auf diesen Wegen verschwinden? Dass vielleicht irgendwelche Alienkatzen sich mit den Bällen und Mäusen meiner Katzen vergnügen?


Es gibt viele noch ungelöste Rätsel auf unserer Welt, dieses gehört definitiv auch dazu. Ach übrigens, den kleinen grünen Glitterball habe ich wieder gefunden. Er war nicht bei meiner Nachbarin, sondern zwischen Wand und hinterem Kommodenfuss im Schlafzimmer eingeklemmt. Wie ist er da nur wieder hingekommen?


(c) Katja Tuszynski 2005